Redebeitrag von Jörg Bennedik, dem Kreisvorsitzenden des Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland BUND in Bad Hersfeld-Rotenburg am 11.03. 2015 auf einer Kundgebung vor dem Hersfelder Rathaus anlässlich des 4. Jahrestages der Reaktor-Katastrophe von Fukushima.
Als vor vier Jahren die Bilder von den havarierten Atommailern von Fukushima und die besorgten Gesichter von Kernkraftwerksexperten und Politikern allabendlich im Fernsehen zu sehen waren, war Deutschland für den Ausstieg aus der Kernenergie reif. Auch in vielen anderen Ländern gab es viele besorgte Bürgerinnen und Bürger, die einen Abschied von der riskanten Technologie forderten. In den meisten Ländern, die AKWs betreiben, war die Forderung nach einem Ausstieg von vornherein aber ohne Chance, da es dort kaum nennenswerte Ansätze für erneuerbare Energien und Energieeffizienz gab.
Das Umschwenken von Angela Merkel vom „Ausstieg aus dem Ausstieg“ hin zu einem neuen Ausstiegsbeschluss, bei dem das Abschalten der Atomkraftwerke über einen langen Zeitrahmen erfolgen sollte,
war energiepolitisch für Deutschland kein unkalkulierbares Risiko. Die notwendige Technik war weitgehend ausgereift und es gab viele wissenschaftliche Studien darüber, wie der Umbau von einer
Ressourcen verschwendenden zu einer nachhaltigen Energieversorgung funktionieren kann.
Berechtigte Sorgen machten sich allerdings viele von uns, ob die großen Energieversorger und die Lobby der Atomindustrie ohne Widerstand der neuen Politik folgen würden.
Anfangs war der gesellschaftliche Konsens für den Atomausstieg recht stabil. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz bot genügend Anreize, in den Ausbau der Solar- und Windenergie zu investieren. Die
Stromerzeugung aus regenerativen Quellen nahm so rasant zu, dass die von den Stromversorgern befürchteten Blackouts ausblieben und Deutschland sogar zum Exportweltmeister für elektrische Energie
avancierte. Die Gegner der Windenergie leiten daraus fälschlicherweise ab, dass wir bereits zu viele Windkraftanlagen hätten, was natürlich Unsinn ist. Bekanntermaßen änderte sich die Lage aber
bald.
Dabei sind es weder technische noch wirtschaftliche Probleme, die der Energiewende zu schaffen machen, sondern abnehmende Akzeptanz in der Gesellschaft, die unterschiedliche Ursachen hat.
Dazu zähle ich:
• Verdrängung der realen Gefahren für die Menschheit, wie z.B. der Klimawandel mit seinen vielfältigen unumkehrbaren Folgen, sowie der Gefahren durch die Nutzung der Atomenergie und auch der
Umweltzerstörung durch die Nutzung fossiler Brennstoffe.
• Angst vor steigenden Kosten für die Energieversorgung.
• Mangelnde Bereitschaft, sich der Verantwortung für die kommenden Generationen zu stellen.
• Anfälligkeit für Verschwörungstheorien, Misstrauen gegen Staat und Bürokratie als Verantwortliche für die Energiepolitik und das Verlangen nach direkter Demokratie, in der Erwartung, alles
Unangenehme einfach „abwählen“ zu können.
Diese abnehmende Akzeptanz der Energiewende ist nicht vom Himmel gefallen. Sieht man einmal davon ab, dass die erschreckenden Bilder von Fukushima mit den Jahren verblassten, haben interessierte
Kreise in Politik, Wirtschaft und Presse geschickt daran gearbeitet, das Image der Energiewende zu ramponieren und diffuse Ängste vor steigenden Energiepreisen, Wettbewerbsnachteilen für die
Deutsche Wirtschaft und der „Verspargelung“ der Landschaft zu schüren. Vergleichbar mit der Kampagne in den USA, wo mit der Unterstützung potenter privater Geldgeber private Institute gegründet
wurden, die Argumentationshilfen konstruierten, um die Leugner der Klimaerwärmung zu unterstützen, bastelten in Deutschland die Gegner der Energiewende an Theorien und Legenden, um das Projekt
Energiewende zu stoppen. In dieser Situation hätten Atomausstieg und Energiewende starke Unterstützer und Verteidiger gebraucht, an erster Stelle die Bundeskanzlerin und die großen Parteien, die
nach Fukushima die Energiewende als nationales Zukunftsprojekt gepriesen hatten.
Aber was geschah? Die Kanzlerin berief Peter Altmaier zum neuen Umweltminister, der von Talkshow zu Talkshow tingelte und das Gespenst der unbezahlbaren Energiewende an die Wand malte. Wir wissen
heute: Die Strompreise sind nicht in dem Maße gestiegen, wie Altmaier orakelte. Noch während Altmaier seine Schreckensszenarien verbreitete, sanken die Preise an den Strombörsen und seit diesem
Jahr profitieren auch die privaten Verbraucher davon.
Der Schaden, den Altmaier – und als Verantwortliche auch die Kanzlerin – mit ihrer Kampagne angerichtet hatten, ist schwer wieder gutzumachen.
Wir haben es hier in Bad Hersfeld hautnah erleben können: Als die ersten Pläne für einen Windpark auf dem Wehneberg präsentiert wurden, beschränkte sich die Gegnerschaft auf einige betroffene
Anwohner und die lokalen Sprecher des NABU. Die Angst vor steigenden Energiepreisen und die Horrorszenarien über die negativen Folgen der Energiewende, die im Internet verbreitet werden, trugen
aber ihre Früchte und trieben viele Hersfelder in den Widerstand, nicht nur gegen die Windräder vor ihrer Haustür, sondern auch zunehmend gegen die Energiewende als Ganzes. Im Sog dieser Bewegung
entwickelten sich auch lokale Politiker zu kompromisslosen Gegnern der Windenergie. Die Hetzseiten des Internetauftritts von „Vernunft-Energie“ sind ihnen offenbar vertrauter als die
Informationen des Umweltbundesamtes oder des Umweltministeriums.
Die Hersfelder Bürgerinitiative (BI) gegen die Windräder auf dem Wehneberg konnte sich übrigens stets auf die Lokalpresse verlassen. Beim Bericht über die Hersfelder Klimaschutztage wurde über
die Sorgen und Initiativen der BI mehr berichtet als über das eigentliche Thema, den Klimawandel und den Klimaschutz. Um nur ein Beispiel zu nennen.
Auch der CDU-Abgeordnete Helmut Heiderich findet mit seiner CDU-Außenseiterposition gegen Windenergie und EE-Gesetz immer Raum in den lokalen Medien. Warum auch nicht? Ich frage mich nur, warum
die Zeitung seine provozierenden Thesen nicht mit einer Stellungnahme des Fraunhofer-Instituts aus Kassel konfrontiert. Der interessierte Leser wäre sicher dankbar und könnte sich so ein eigenes
Bild machen.
Zum Schluss noch etwas Positives, über das es vier Jahre nach Fukushima zu berichten gibt:
In Deutschland werden inzwischen 27 Prozent der Elektrizität aus erneuerbaren Energien gewonnen. Die Treibhausgasemissionen sind 2014 wieder - nach kurzzeitigem Anstieg in den vergangenen zwei
Jahren – deutlich zurückgegangen.
Die Privatkunden der Stadtwerke Bad Hersfeld beziehen inzwischen Strom, der zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen kommt.
Die Stadtwerke Bad Hersfeld sind selber an Windparks beteiligt und unterstützen eine Power-To-Gas Forschungsanlage der Mainova.
Auf dem Wehneberg in Bad Hersfeld sind seit Anfang des Jahres sechs Windkraftanlagen ans Netz gegangen. Der prognostizierte Energieertrag beträgt 43.000 Megawattstunden pro Jahr. Damit können
15.000 Haushalte mit Strom versorgt werden. Der Strom wird übrigens nicht nach Stuttgart geleitet. Er wird im Stadtgebiet von Bad Hersfeld ins öffentliche Netz eingespeist.